Nun liegt es bei mir und meinem Habichtsweib „Rala“ weitere Beute zu machen.
Mein Falknerschüler Artur ist mit von der Partie und arbeitet mir zu.
Er hat ein Kanin in einem der besagten Kulturstreifen in der Baumschule ausgemacht. Links der Kultur ist eine freie Fläche. Springt das Kanin nach links, so muss es dreißig, vielleicht vierzig Meter überwinden, bevor es erneut in der Deckung Schutz findet. Das könnte klappen.
Mit viel Hingabe und großer Ruhe drückt Artur den Streifen kniehoher Thujenbüsche durch.
Ich bleibe auf der Freifläche und laufe mit Artur auf selber Höhe. Noch bevor einer der Jäger „Kanin!“ ausrufen kann, ruckt es bereits in den Geschühriemchen in meiner Hand. Rala hat das Kaninchen, das vierzig, fünfzig Meter vor uns springt, längst gesehen und will es anjagen. Es flüchtet über die Freifläche und kommt schräg auf uns zu.
„Habicht frei!“
Zwischen Hoffen und Bangen lasse ich den Vogel frei. Denn ich weiß: nähert sich ein Kaninchen von vorne, ist es für einen Habicht ungleich schwieriger erfolgreich zu sein. Das Kanin sieht sich Aug‘ in Aug‘ mit der drohenden Gefahr und kann im letzten Moment und mit einem beherzten Haken den Habicht ins Leere fliegen lassen.
Rala scheint das jedoch zu wissen und fliegt zu meiner Überraschung ihre Beute nicht direkt an. Sie schießt auf einer parallelen Route in Richtung Kaninchen, läßt das Kaninchen passieren, macht eine 180° Kehre und schwingt sich jetzt perfekt hinter der Beute ein. Sensationell!
Die Wende hat jedoch Geschwindigkeit aus dem Flug des Vogels genommen, das Kaninchen hat einen deutlichen Vorsprung und zielt auf den nächsten Dickungsstreifen.
Und jetzt beginnt es wieder, dieses phantastische Schauspiel, das einem der jagende Greif zu bieten weiß: Der Vogel erhöht die Frequenz der Flügelschläge, die Schwingen werden zu einem Flirren aus silbergrau und weiß. Die Vehemenz, mit der der Habicht nun jagt und sein Tempo immer und immer weiter erhöht, ist ein Naturschauspiel von bezwingender Schönheit. Mit jedem Augenblick schwindet der Vorsprung des Kanins. Noch zwei, drei Schwingenschläge, jetzt ist Rala mit ihrer Beute schon gleichauf und wirft ihre tödlichen Fänge nach vorne. Kurzes Klagen. Das Kanin liegt wie festgenagelt. Welch‘ herrlicher Flug! Noch gebannt von dem Schauspiel, das sich mir soeben geboten hat, muss ich mich mit Nachdruck losreißen: Ich eile zu meinem Vogel.
Rala hält ihre Beute mit eisernem Griff. Ich fange das Kaninchen mit einem Stich ins Herz ab. Rala weiß was nun kommt und wartet geduldig: Ich schärfe den Brustkorb auf, lege Lunge und Herz frei. Der Vogel trinkt das warme Blut, das sich in der Kammer sammelt und beginnt dann alsbald zu kröpfen. Keine Frage: ein solcher Flug muss maximal belohnt werden. Das geht nur mit einem vollen Kropf. Also „Jagd vorbei!“ auch für mich und Rala. Von irgendwoher tönt ein brüderliches „Falknersheil!“ an mein Ohr.
Jagd mit den Habichten: Auf Beizjagd mit dem Orden Deutscher Falkoniere
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